Leitbild des AKS-Berlin

Unsere Ausgangslage:
Für uns sind die immer weiter vorangetriebenen, politisch motivierten Prozesse einer Ökonomisierung des Sozialen und die ökonomischen Verwertungsprozesse von Menschen untragbar. In diesem entfesselten Kapitalismus verschärfen sich die Lebenslagen der Mehrheit der Menschen weiter.

Das ökonomisch politische Programm des aktivierenden Staates spricht dem Menschen die Eigenverantwortung und die damit einhergehenden Schuldgefühle für seine Problemlagen zu – insbesondere auch dann, wenn diese Problemlagen durch das herrschende gesellschaftliche System verursacht sind.

Soziale Arbeit wird durch diese Prozesse deprofessionalisiert, ihrer Parteilichkeit mit den Nutzer_innen[1] beraubt und von jenen theoretischen Grundlagen, die eine gesellschaftskritische Analyse und Praxis ermöglichen, entfremdet. In diesem Kontext werden Sozialarbeitende in prekäre und technokratische Arbeitsbedingungen gedrängt.

Computergestützte Diagnostik und Zeiterfassungssysteme, Dokumentations- und Nachweissysteme rationalisieren und standardisieren die sozialarbeiterische Unterstützung, verhindern vor allem aber eine lebensnahe Bedarfsorientierung auf Seiten der Nutzer*innen.

Ein zunehmend geäußertes Ohnmachtsgefühl unter Sozialarbeitenden und der Eindruck, an all dem nichts ändern zu können, herrschen vor. Es geht einher mit mangelnder Solidarität und fehlendem politischen Bewusstsein. Beides symptomatisch für unsere Gesellschaft.

Es ist uns unter den vorgegebenen Bedingungen nicht mehr möglich, Soziale Arbeit nach unserem professionellen Selbstverständnis zu leisten.

Unser Selbstverständnis:
Wir stehen für eine professionelle Soziale Arbeit, die sich auf die ihrer Profession innewohnenden Ethik und Prinzipien beruft. Dies bedeutet für uns:

  • politisch aktiv für die Realisierung einer sozial gerechten Gesellschaft einzutreten. Wir sehen unsere Aufgabe darin, die Ursachen von Missständen aufzudecken, sowie Herrschafts- und Machtsysteme zu analysieren, diese öffentlich zu machen und unser politisches Mandat
    wahrzunehmen. In diesem Zuge halten wir eine Orientierung an einer Verantwortungsethik für unverzichtbar und erachten insbesondere im historischen Kontext einen institutionellen Gehorsam für gefährlich.
  • dass eine ökonomische Betrachtung des Menschen – als „verwertbarer Gegenstand” und als Objekt – der Sozialen Arbeit widerspricht. Dies gilt sowohl für Nutzerinnen als auch für Sozialarbeitende. Auch wehren wir uns gegen ein Professionsverständnis, das aus einer Verwaltung und Verwahrung von ausgeschlossenen Menschen besteht. Wir stehen für eine Soziale Arbeit, die sich an den Menschen in seinem Mensch-Sein richtet und ihn auf Wunsch dabei unterstützt, ein selbstbestimmtes, autonomes Leben zu führen. Soziale Arbeit ist ihrer besonderen Aufgabe verpflichtet, Menschen mit sozialer Benachteiligung und gesellschaftlicher Beschädigung bei der Bewältigung und aktiven – auch widerständigen – Gestaltung ihres Lebens zu unterstützen.
  • dass sich Soziale Arbeit als eigenständige wissenschaftliche Disziplin[2] versteht, welche die Erkenntnisse verschiedener Bezugswissenschaften nutzt und für die eigene Professionalisierung nutzbar macht.
  • die Aufgaben (sozial-)wissenschaftlicher Erkenntnisse darin zu sehen, den Menschen im Sinne eines demokratischen, solidarischen und emanzipatorischen Verständnisses zu dienen.
  • kritisches Bewusstsein in Bezug auf Theorie, Geschichte und Gesellschaft von Sozialarbeitenden in Ausbildung und Praxis einzufordern. Soziale Arbeit setzt sich für die Entwicklung sowie Etablierung alternativer Praxen von Selbstbestimmung und Lebensweltorientierung ein.
  • den Zusammenschluss und dialogisches Zusammenwirken von Wissenschaft und Praxis Sozialer Arbeit.
  • ein gemeinsames, solidarisches Denken und Handeln über alle Arbeitsbereiche Sozialer Arbeit und darüber hinaus.

Soziale Arbeit ist wirkmächtig und deshalb politisch konsequent verantwortlich. Im solidarischen Zusammenschluss/ Widerspruch/ Widerstand kann die notwendige Kritik geäußert, Alternativen erarbeitet sowie Sanktionen/Repression entgegengewirkt werden.

Wir solidarisieren uns mit Menschen aus weiteren gesellschaftlichen Bereichen, die von Benachteiligung, Ausgrenzung, Verwaltung und Verfolgung betroffen sind.

– Stand: Juli 2013 –

[1] Den Begriff der „Nutzer_in”, verwenden wir anstatt „Klient_in” in Anlehnung an die Auseinandersetzungen der Nutzer_innen-Forschung
[2] Mit eigenen Methoden, Theorien und Handlungswissen.