Stellungnahme des AKS Berlin zum “Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung“

Mit dieser Stellungnahme spricht sich der Arbeitskreis Kritische Soziale Arbeit Berlin entschieden gegen den bereits im Bundesrat debattierten Gesetzesentwurf (BT-Drs.18/40971) zu aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen aus, der eine maßlose Ausweitung der Abschiebungshaft sowie die nahezu willkürliche Möglichkeit der Inhaftierung Geflüchteter und Asylsuchender anvisiert. In diesem Zuge wird eine kompromisslose Durchsetzung und Beschleunigung von Abschiebungen „unerwünschter“ Geflüchteter ermöglicht. Insbesondere sieht dieser Entwurf vor

  • eine erhebliche Ausweitung der Anwendung von Abschiebungshaft
  • eine nahezu unermessliche Verschärfung und Ausweitung von Haftgründen,
  • eine Regelung zur Ingewahrsamnahme durch Behörden, ohne das Einholen einer richterlichen Anordnung
  • eine Quasi-Unerreichbarkeit von Bleiberechtsbedingungen für Geduldete
  • ein geplantes Einreise- und Aufenthaltsverbot, das zum Verbot der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis führt sowie zu einem bis zu 5jährigen Betretensverbot für Deutschland und alle EU-Länder

Eine Inhaftierung durch Behörden, die ohne richterlichen Beschluss auf nahezu jede_n Geflüchtete_n angewandt werden kann, sollte jede_n aufhorchen lassen: Historisch kennen wir eine solche Maßnahme ohne richterlichen Beschluss aus dem nationalsozialistisch geschaffenem Rechtsanwendungsinstrument der sogenannten Vorbeugehaft. Der Inhalt des Gesetzesentwurfs ist daher eine Zuspitzung einer jahrzehntelangen Abkehr eines Schutzgedankens hin zu einer restriktiven verwaltungsrechtlichen Strafpraxis.

 

Erst im November 2014 trat der zuvor im Bundesrat und Bundestag verabschiedete Gesetzesentwurf in Kraft, infolge dessen die Westbalkanstaaten Bosnien und Herzegowina, die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien und Serbien gesetzlich festgeschrieben zu Sicheren Herkunftsstaaten erklärt wurden. Bereits diese Erklärung erfolgte entgegen und TROTZ des gesicherten Wissens von Folter, Misshandlung, struktureller Ausgrenzung sowie einer langen Liste nachgewiesener Diskriminierungen von Minderheiten, insbesondere Rroma, in den betreffenden Ländern2.

Dieser Gesetzesentwurf, der im Juni 2015 in Kraft treten soll, verdeutlicht zum wiederholten Male das Paradoxon des politisch herrschenden Willens: Unter Aufrechterhaltung des Scheins, die „richtigen” Geflüchteten aufnehmen zu wollen, ist das Motiv staatlichen Handelns in der Migrationspolitik nicht, Menschen in Not solidarisch zu unterstützen, sondern die systematische Verweigerung jeglicher Hilfestellung. „Das Recht auf Leben und Würde BESTIMMTER Menschen wird de facto verneint”3, so fasst es Claus Melter zusammen.

Der Arbeitskreis Kritischer Sozialer Arbeit Berlin kritisiert den Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung mithin in aller Schärfe und Deutlichkeit und fordert die verantwortlichen Bundestagsabgeordneten auf, einem solchen Regierungsentwurf die Zustimmung zu verweigern. Diese Kritik erfolgt insbesondere auch aus einer sozialarbeiterischen Perspektive, die sich explizit gegen jegliches Differenzierungs- und Hierarchisierungsparadigma wendet, das zwischen zu fördernden und einzugrenzenden wertvollen Menschen und auszugrenzenden weniger Wertvollen unterscheidet. Als Schnittstelle zwischen Individuum und Gesellschaft hat Soziale Arbeit die Aufgabe, entsprechende bestehende Herrschaftsverhältnisse anzuzweifeln und kritisch in entsprechende Diskurse zu intervenieren. Schlussendlich schließen wir diese Stellungnahme mit den Worten des Professors für Soziale Arbeit Claus Melter:

„Flucht ist kein Verbrechen. Die Parteien, die dem Gesetz zustimmen handeln verfassungswidrig.”4

 

1Entsprechender Gesetzesentwurf nebst Stellungnahmen und Protokoll bisheriger Sitzungen einsehbar unter: http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse18/a04/anhoerungen/42_sitzung_inhalt/364474 [letzter Zugriff 05.05.2015]

2Entsprechender Entwurf nebst Stellungnahmen: http://www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/zuwg/AendG_AufenthG_2014.html [letzter Zugriff 05.05.2015]